No-TillJürg Lauper hat dank guter Planung keinen nackten Boden in der FruchtfolgeSamstag, 11. März 2023 «Gründüngungen sind kein Zwang, sondern eine Chance», ist Thierry Salzmann aus Bavois VD überzeugt. An der Jahresversammlung der Gesellschaft für bodenschonende Landwirtschaft (Swiss No-Till) erzählte er von seinen Erfahrungen mit der Konservierenden Landwirtschaft. Für ihn war ein Starkregenereignis in seiner Gemeinde der Einstieg, als erodierter Ackerboden aus einem Villenviertel geschaufelt werden musste. Offen legte der Landwirt seine Erträge der letzten Jahre dar. Trotz gelegentlicher Fehlschläge (etwa durch einen zu hohen Roggenanteil in der Gründüngung vor Mais und einer zu aggressiven Messerwalze, die schnitt statt knickte) ist das Arbeiten nach den Prinzipien Bodenruhe, Pflanzenarten-Vielfalt und möglichst ständiger Bodenbedeckung für ihn der richtige Weg. «Es ist unwahrscheinlich, was für ein Leben in den Beständen zu finden ist», schwärmte Salzmann von den Insekten, Vögeln und kleinen Säugetieren, die er auf seinen Flächen beobachten konnte.

Kritische Nachbarn

Die kalten Böden im Frühling, den Einsatz von Glyphosat (2 L/ha und Jahr) sowie allenfalls Investitionen in neue Landtechnik sieht Thierry Salzmann als Nachteile der Konservierenden Landwirtschaft. «Und man ist den Blicken anderer ausgesetzt», ergänzte der Waadtländer. Diese Erfahrung haben offenbar auch einige andere gemacht, wie mehrere Voten aus dem Publikum klarmachten. «Viele haben das erlebt, erleben es immer wieder – ich auch», bestätigte No-Till-Präsident Reto Minder. Es dauere Jahre, Jahrzehnte oder gar Generationen, bis die Akzeptanz für neue Ansätze da sei. Seine eigenen Nachbarn hätten 20 Jahre gebraucht, um zu sehen, «dass ich nicht zugrunde gehe», sagte Minder. Heute würden sie aber auch konservierend arbeiten. «Das braucht Durchhaltewillen, man muss das aushalten.»

AboDie Farben im Wärmebild: Dunkelrot: max. 66,8 Grad; Hellgrün: min. 39,8 Grad. Der aufsteigende Staub von der Bodenbearbeitung ist kühler als das bereits vor längerer Zeit geeggte Feld links. Das Feld rechts sowie die Spur hinter dem Traktor sind ebenfalls etwas kühler, weil gerade frisch geeggt wird.BodentemperaturmessungenÜber 50 °C – Nackter Boden glüht im SommerSamstag, 28. Oktober 2023 Thierry Salzmann appellierte an die Versammelten und zugleich an die Branche: «Wir müssen aufhören, uns wegen Bio oder Nicht-Bio, Pflug oder Glyphosat zu bekämpfen.» Auch fände er es wünschenswert, den Dialog zum Naturschutz zu verbessern und die Faszination für Landtechnik zugunsten von mehr Wissen über den Boden zurückzufahren. Nicht zuletzt gelte es weiterhin, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu reduzieren.

Hoffnung auf Grundwasser

In der Politik war Swiss No-Till bisher wenig erfolgreich. Man habe sich zwar für gezielte Beiträge eingesetzt. Es sei aber ein wahres Ringen um Themen, erklärte Reto Minder, «schon nur darum, dass der Boden überhaupt ein Thema ist in der Weiterentwicklung der Agrarpolitik». Angesichts der grossen Zahl an Akteuren und Interessen sieht Minder das als Langzeitaufgabe. «Wir bleiben dran», versicherte er.

Unzufrieden mit der Politik zeigte sich auch Rolf Weingartner. Der Hydrologe warnte, je nach Niveau des heute und künftig umgesetzten Klimaschutzes würden Jahre wie 2003 bis zum Ende des Jahrhunderts ganz normal und damit auch der Wassermangel. «Im Moment befinden wir uns irgendwo zwischen begrenztem Klimaschutz und keinem Klimaschutz», so Weingartner. Zu lange habe man sich auf die Bewässerung als Massnahme gegen Trockenheit konzentriert und auf die – durchaus grossen – Grundwasserreserven gesetzt. «Es braucht ein Management des Verbrauchs», fuhr der Wissenschaftler fort. No-Till sieht er als passendes System, denn Boden, Kulturen und Sorten seien im Zusammenhang mit der Wasserversorgung ebenso zu bedenken. Allerdings hat auch Rolf Weingartner bereits Anfeindungen erlebt. «Wir müssen eine Diskussionskultur aufbauen», wiederholte er mehrmals. Massnahmen müssten endlich getroffen werden, namentlich auch vom Bundesrat. «Denn hier haben wir die Lösung auf dem Tisch.»

Der Boden glüht

Mit Hanspeter Liniger trat an der Jahresversammlung ein zweiter Wissenschaftler auf. Der Geograf zeigte seine Forschung zur Temperatur verschiedener Bodenoberflächen, gemäss der nackter Ackerboden im Sommer mit über 60 Grad heisser als der Asphalt glüht. «Unter einer nur zwei Zentimeter dicken Mulchschicht waren es aber nur noch 27 Grad», schilderte Liniger. Laut ihm ist es sehr wahrscheinlich, dass bei 60 Grad Oberflächentemperatur Mikroorganismen und Pilze im Boden absterben, was die Bodenpartikel zerfallen lasse. Die Hitze liesse sich neben Pflanzenresten auch mit Gründüngungen deutlich reduzieren – besser als mit einer sommertrockenen Wiese. «Wer es jetzt immer noch nicht verstanden hat, den sollte man im Sommer barfuss über verschiedene Flächen schicken», kam der Vorschlag aus dem Publikum.